„Wir verstehen Schule als Ort der Weltoffenheit, an dem wir Neugier, lnteresse und Offenheit für andere Menschen und für die sich ständig wandelnde Welt wecken.“
– so heißt es im Leitbild des Adolfinum. Eine anspruchsvolle Idee, aus der eine Diskussionsveranstaltung zum Nahost-Konflikt am 19. Dezember 2023 entsprang. Die Prüfungsschüler:innen und Lehrkräfte des 13. Jahrgangs im Fach Politik-Wirtschaft hatten passend zum Semesterthema „Friedenssicherung als internationale Herausforderung“ auf Initiative der Schulleiterin Cornelia Kastning die Gelegenheit, mit dem Diplomaten Jörg Ranau (geb. 1955) Vorwissen zu vertiefen und Fragen zu erörtern.
Ranau, zuletzt Botschafter in Riad, hatte 2006 bis 2008 als Leiter des Verbindungsbüros der Bundesrepublik bei der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah gewirkt und konnte sowohl eigene Erfahrungen als auch professionelle Expertise einbringen, während sich die Schüler:innen in vorbereiteten Rollen mit Ursachen und Lösungsansätzen des Konflikts auseinandersetzten. Ranaus Moderationseinwürfe entfachten eine belebte und fruchtbare Diskussion, die den Schüler:innen neue Perspektiven erschloss; Dinge vorhielt, die sie nicht bedacht hatten. Ihr Wissen derart auf den Prüfstand zu stellen, bereitete ihnen sichtlich Spaß.
„Verschiedene Konfliktebenen!“
Als problematisch stellten sich unter anderem die politischen Kräfteverhältnisse heraus, so seien die steigende Unterstützung für die Hamas im Westjordanland als auch der Wahlsieg des rechten Lagers unter Benjamin Netanjahu nicht zuträglich für konstruktive oder diplomatische Lösungsansätze. Die fortschreitende Siedlungspolitik Israels und die fehlenden Zukunftsperspektiven für die Palästinenser werden klar als Teilprobleme herausgestellt. Aktuell forciere Israel die Befreiung der Geiseln und wolle die Hamas zurückdrängen.
„Und andere Staaten?“
Zum Verständnis des Konflikts sei ein breiter Bogen nötig, so Ranau. Man müsse die Rolle verschiedener Staaten und Akteure in der Region wie Ägypten, Iran, Syrien sowie z. B. die Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen einbeziehen. Kurz spielt er auch auf die Bedeutung Russlands, Chinas und der USA an, letztere hätten als deutliches Signal Flugzeugträger ins Mittelmeer entsandt.
„Unterschiedliche Lebensbedingungen!“
Am Beispiel Tel Avivs, der seiner Meinung nach „zweitschönsten Stadt am Mittelmeer“, gelingt es Ranau, ein Bild vom Leben in Israel zu vermitteln, das grundsätzlich westlich geprägt sei. Nur wenige Kilometer entfernt befinde sich die Grenze zum Gazastreifen, das Leben in Gaza unterscheide sich zwar deutlich, sei letztlich zu Friedenszeiten aber nicht so schlecht, wie die Schüler:innen zunächst annehmen.
„Auf den Konflikt einwirken?“
Ranau berichtet von Schulen unter Leitung der Vereinten Nationen, von Jugendarbeit, von Think Tanks und Forschungsbeziehungen. Auch geht es um deutsche Entwicklungshilfeprojekte, beispielsweise den Aufbau einer Abwasseranlage mit deutscher Hilfe.
„Keine Lösung in Sicht?!“,
hört man schnell auf Seiten der Schüler:innen. Angelehnt an das frühere Format des „Nahostquartetts“ müssten heute auch die Araber eine wichtigere Rolle spielen, so Ranau, neben Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch Saudi Arabien, das einen Friedensplan vorgelegt habe. Letztlich sehe er nur einen Prozess auf der Zeitschiene unter Einbindung vieler. Ein Aufbruch sei nötig, es brauche moderate Politiker mit Format. Man müsse auf die Bedürfnisse der Palästinenser eingehen und gleichzeitig berücksichtigen, dass für Israel Sicherheit an erster Stelle stehe.
„Kein einfacher Weg!“
Ein Stück weit gelingt es Ranau, den Konflikt in seinen verschiedenen Ebenen näher zu bringen. Bis zum Schluss können nicht alle Wortmeldungen berücksichtigt, nicht alle Fragen gestellt werden. Trotzdem wird klar, dass Interesse und Offenheit für andere Menschen in deren Lebenswirklichkeit bei den Bemühungen um Frieden von entscheidender Bedeutung sind.
DUE